Ty Waltinger

1962

Geboren in Wien

1981

Matura an einem Naturwissenschaftlichem Realgymnasium

19811985

Studium der Malerei & Grafik, Höhere Grafische BLV (Wien)

1985

Abschluss des Studiums mit Auszeichnung

19851986

Mehrere Arbeiten als Bildhauer in Carrara und Tusche-Zyklus in Verona (Italien)

1986

Abschluss der Meisterklasse in Wien mit Diplom und Auszeichnung

1987

Zyklus von Papierarbeiten mit Bleistift und Tusche „Auf Reisen“ (Italien)

19871988

Erlernen originärer Restaurierungstechniken Venezianischer Tafelbilder (Italien)

19881989

Studium Japanischer Pinseltechniken und Schwingungsbilder

1989

Kunstgarten-Projekte mit Einbindung großformatiger Kalligraphien (Asien, Schweiz)

1993

Entwickeln einer speziellen Mal-Schichttechnik mit alten Naturpigmenten

1994

Beginn großformatiger Bilder auf Leinen mit Naturpigmenten in alten Essenzen

19962007

Leben und Arbeiten in Wien und Schaffhausen (Schweiz)

1997

Entstehung der Serie „Fließende Pigment“-Bilder als prozessuale Kunstform

1998

Entwickeln spezifischer Öl-Inversionen für Malerei mit Naturpigmenten

1999

Beginn an der Arbeit der „Zeit-Fresken“ (Wien)

19992000

Forschungsarbeit „Alte Naturpigmente und deren Bindung“

2001

Entstehung der Bilderserie „Bewahrte Pigmente“ mit Verwendung alter Materialien

2002

Idee zur Wind-Pigment-Malerei in der Wüste - Cyclos Pigment Projekt

2003

Beginn der Wind-Pigment-Malerei in der Tunesisch-Algerischen Sahara

2005

Verfilmung des Sahara-Projekts „Zeit. Spuren. Pigmente.“, Thomas Zeller (ORF)

2006

Forschungsarbeit „Oxidation von Edelmetallen mittels Rezepturen vergangener Jh.“

2007

Vortragsreihen zum Thema „Alte Farbpigmente und deren Verarbeitung im Bilde“

2008

Wissenschaftliche Entwicklung neuer Farbtechnologien (Italien und Schweiz)

2009

Aufführung von 5 Mal-Klang-Bildern mit Ensemblemitgliedern der Wiener Symphoniker

2010

Großformatige Fotoarbeiten zum „Cyclos Pigment Projekt“ in der Sahara

2011

Entstehung der prozessualen Serie „Vergängliche Werke“ auf Leinen und Bütten

2012

Drei Filmprojekte zum Thema „Prozessuale Kunst“ unter Natureinflüssen

2013

Erstmalige Präsentation der Cryo-Paintings in der Galerie ArtZiwna in Wien

2014

Teilnahme an internat. Kunstausstellungen in Basel, New York, Paris u.a.

2015

Weiterentwicklung der Maltechnik mit Öl-Inversionen im Labor mittels alter Öle

2016

Finalisieren der „Zeit-Fresken“ nach einem Bearbeitungsprozess von 16 Jahren

2017

Teilnahme an der Biennale Venedig mit „Natur-Fresken“ und „Zeit-Fresken“ / I

2019

Vorbereitung der Kunst-Projekte „Pigments in Ice“ & „Phoenix“

Mein Leben in Farbe.

Meine Malerei vergleiche ich mit Themen und Sequenzen in der Musik, zumeist mit Stücken von Bach. Meine Bilder spannen einen Bogen, die ähnlich den Goldberg Variationen Anfang und Ende zusammenführen, sich wieder verbinden und symbolisch zum Ursprung zurück kehren.

Jedes meiner Werke beginnt mit sehr genauen Überlegungen und entsteht ausschließlich im Freien unter Verwendung von dünnflüssigen Öl-Inversionen. Teilweise trage ich bis zu dreihundert Pigmentschichten oder mehr pro Bild auf! Dies passiert meist in monatelangen Zeitspannen und an ausgesetzten Orten und Gegenden, an denen -15 bis -20 Grad keine Seltenheit sind. Primäres Ziel meiner Malerei ist die Sichtbarmachung der natürlichen Entstehungsprozesse durch die radikale Beschränkung auf ihr Ureigenes. Meine in moderner Diktion „prozessuale Kunst“ ist von hoher Eigenart.

Vor Beginn des Malprozesses muss geklärt werden, welcher Natureinfluss auf das Bild einwirken wird, auch bezüglich seiner voraussichtlichen Intensität und Zeitdauer. Stehen diese Parameter für mich fest, ermittle ich das ideale Leinen wie auch dessen Grundierung. Meist aber verwende ich einen geschliffenen Halbkreidegrund, den schon Alte Meister bevorzugten, obwohl sich dieser unter freiem Himmel nicht immer optimal verhält. Erst dann kann ich die Farbpigmente definieren. Diese bestimmen in Folge die penibel dosierte Zusammensetzung der einzelnen Bindemittelsubstanzen.

Besonders wichtig ist, wie stark die Einwirkung der Naturkräfte sein wird. Ist die Zeitdauer des Prozesses annähernd abschätzbar, hat dies Auswirkung auf jede Pigmentemulsion. Die Temperatur spielt zusätzlich eine entscheidende Rolle, vor allem, wenn ein Cryo-Painting entstehen soll. Bei Minusgraden liegt auf der exakten Zubereitung der Farbmixturen großes Augenmerk, zumal jeweils 12 bis 15 Komponenten Verwendung finden. Diverse, feinst raffinierte Öle wie Rosmarinöl, Orangen- bzw. Zitronenöl, Nerzöl, Nelkenöl, Pinienöl, Arganöl, dazu Venezianisches Lärchenharz, Dammar, Schellack, Bienenwachs, Borax und Silberchlorid lassen bereits erkennen, dass die Vorarbeit eines Werkes ein komplexes, chemisches Wissen erfordert. Zweiter Hauptakteur ist die Natur selbst, die letztendlich in Verbindung mit etwas Glück entscheidet, ob ein Bild erfolgreich aus dem Malprozess hervorgeht oder nicht.

Die tiefe Auseinandersetzung mit Kunst brachte mich schon in frühen Jahren alten Farbpigmenten näher. Von allem Anfang an zogen mich vergessene Geheimnisse um deren Verwendung in den Bann. Ich entwickelte mich zu einem „Entdecker alter Welten“. Meine Welt der Farben und Historien wurde vielschichtiger. Das tägliche Auseinandersetzen mit Techniken Alter Meister half mir, das innere Licht alter Farbpigmente zu erkennen und in meinen Werken sichtbar zu machen. Dieses innere Licht war für viele Meister der Antike – hier besonders hervorzuheben der Meister Apelles – so wesentlich, dass sie ihre Bildoberflächen zusätzlich feinst polierten, um einen Glanz in der Licht- und Farbwiedergabe zu erzeugen. Dieses Licht war der Inbegriff für höchste spirituelle Wirklichkeit. Die alte Welt der Verarbeitung ihrer Materialien öffnete mir Perspektiven, die mich erkennen ließen, dass es so viel mehr in längst Verborgenem zu entdecken gilt. Selbst bei Schwarz, Blau und Weiß fand ich die unterschiedlichsten Farbtöne, in deren Anwendung zahllose Historien und Geschichten schlummerten. Die Werke von Fra Angelico, Giotto di Bondone oder des von mir so geschätzten Jan Vermeer bekamen für mich eine andere Bedeutung. Der eigene Strich eines Schiele, Landschaftsbilder Max Weilers, die kraftvolle Art Kazuo Shiragas, wie das Grazile des Moments von Takesada Matsutani zeigten mir, was Kunst bewegen kann: die Seele!

Wenn für mich das Medium Malerei selbst in hohem Maß auch die Botschaft ist, meine ich damit aber nicht nur Physik und Chemie, Farbe, Bindemittel und Verfahren, sondern eine im künstlerischen Prozess angestrebte Einheit von Materie, Zeit, Raum, Mensch und Kosmos.

Das Ziel meiner Malerei ist die Erfassung von „Echtzeit“ und Offenlegung der sich über „menschliche“ Zeiträume erstreckenden malerischen Prozesse. Aktuell bereite ich Malprojekte in Gletscherspalten, in der Sahara wie auch auf einem aktiven Vulkan vor.

Kunst bedeutet für mich, dass sie uns nährt, indem sie uns neue Welten erschließt und von anderen Welten träumen lässt! Sie bringt uns Schönheit und Weisheit näher und fokussiert unseren Blick. In meinem Fall verweist sie mich auf das Wissen der Vorfahren. Zugleich lädt sie mich ein, kraftvoll den Weg weiter voran zu gehen.

Ty.

Edelbert Köb

Der Zeit-Aspekt der Malerei Ty Waltingers kulminiert in seinen Zeit-Fresken, die der Künstler zur Biennale im Palazzo Bembo 2017 am Canale Grande ausstellte, wo er in gegenläufigen, malerischen Prozessen Vergangenheit und Gegenwart aufhob beziehungsweise ineinanderfließen ließ. Auf diese Bilder, die von 1999 bis 2016 al fresco entstanden sind, wurden über viele Jahre seltene und meist sehr alte Pigmentessenzen aufgetragen. Von 2016 bis 2017 arbeitete der Künstler sich dann mit Skalpellen und feinen Werkzeugen zurück in die Tiefe, legte Malschicht um Malschicht und damit Zeitschicht um Zeitschicht wieder frei. Sein Ziel ist die Erfassung von „Echtzeit“ über die Offenlegung der sich über lange Zeiträume erstreckenden malerischen Prozesse.

Auch bei seinen in freier Natur durch Regen oder Eiseskälte entstandenen Prozessualen Werke besteht der Künstler ausdrücklich darauf, „Zeit zu malen“, hat er doch eine diesbezüglich ihm eigene und solitäre Methode der Bildproduktion entwickelt. Gemeinsam mit dem Natureinfluss Regen kreiert er in langen Zeitfenstern die von ihm als „Hydro-Paintings“ bezeichneten Bilder. Bei Minusgraden dagegen bilden sich die Oberflächen aus pigmentierten Eiskristallen der so genannten „Cyro-Paintings“. Dafür verlegt er seine Ateliers vorübergehend in Hochgebirge, auf Gletscher und Eisfelder oder sogar in Polarregionen.
So entstanden geheimnisvoll faszinierende, kostbare Objekte und expressive „Naturbilder“ von noch nicht gesehener Art. Mit ihnen schafft der Künstler authentische Metaphern des Werdens und Vergehens.

Edelbert Köb
Kurator, ehem. Dir. Wiener Sezession, Kunsthaus Bregenz, MUMOK